In den Werkshallen der ersten speziell für Elektrofahrzeuge errichteten Produktionsstätte von Audi in China herrscht rege Betriebsamkeit: Ganze Stahlplatten werden in Sekundenschnelle von leistungsstarken Pressmaschinen in Karosserieteile verwandelt, während Roboterarme mit millimetergenauer Präzision am Montageband arbeiten. Hier entsteht der neue Audi Q6L e-tron – ein vollelektrisches SUV, das gezielt für den chinesischen Markt konzipiert wurde.
Gebaut wird das Fahrzeug auf der Premium Platform Electric (PPE) am Standort von Audi FAW NEV Co., Ltd. in Changchun, der Hauptstadt der nordostchinesischen Provinz Jilin. Der Marktstart ist für Ende dieses Jahres geplant.
Helmut Stettner, Geschäftsführer von Audi FAW NEV, kennt die Gegebenheiten in China gut: Bereits 2011 übernahm er als Produktionsleiter eine führende Rolle bei FAW-Volkswagen in Changchun. Mit seiner Rückkehr im Jahr 2021 übernahm er die Leitung des PPE-Projekts, das Audi in eine neue Ära der Elektromobilität führen soll.
Stettner betont, dass Audi eng mit lokalen Partnern zusammenarbeitet, um innovative Produkte zu entwickeln und chinesische Spitzentechnologie zügig in die eigene Produktion zu integrieren. Ab diesem Jahr werden Modelle auf der PPE-Plattform für den chinesischen Markt mit einem hochmodernen Fahrerassistenzsystem ausgestattet, das auf Technologien des chinesischen Tech-Konzerns Huawei basiert.
Die neue Produktionsstätte in Changchun hat eine geplante Jahreskapazität von über 150.000 Fahrzeugen. Neben dem Q6L e-tron wird dort auch der kommende A6L e-tron gefertigt. Beide Modelle nutzen dabei eine technische Premiere: eine 9.100-Tonnen-Superpresse, die vollständig von einem chinesischen Zulieferer entwickelt und gefertigt wurde – ein Novum innerhalb des Volkswagen-Konzerns.
Stettner sieht im weltweiten Wandel hin zur Elektromobilität große Chancen für beide Länder – China und Deutschland. „Wir beobachten, dass die Umstellung auf Elektrofahrzeuge in China immer schneller voranschreitet, besonders im Premiumsegment. Trotz einiger Herausforderungen bietet dieser Markt enormes Wachstumspotenzial für Audi – und wir wollen diesen Wandel aktiv mitgestalten“, erklärte er in einem Interview.
Der chinesische Markt für neue Energiefahrzeuge (NEVs) hat sich in den letzten Jahren zum zentralen Schauplatz für internationale Autohersteller und Technologieanbieter entwickelt. Im Jahr 2024 überstiegen sowohl Produktion als auch Absatz von NEVs in China die Marke von 12,8 Millionen Einheiten – damit bleibt das Land das zehnte Jahr in Folge weltweit führend in Herstellung und Verbrauch von Elektroautos.
Darüber hinaus hat China ein äußerst leistungsfähiges industrielles Ökosystem für E-Mobilität aufgebaut: Das Land liefert inzwischen rund 70 Prozent der weltweit eingesetzten Batteriematerialien und 60 Prozent aller Antriebsbatterien. Dieser industrielle Vorsprung verschafft chinesischen Unternehmen eine zentrale Rolle in der globalen Wertschöpfungskette.
Die Zusammenarbeit zwischen Audi und seinen chinesischen Partnern gilt als Paradebeispiel für eine gelungene deutsch-chinesische Industriekooperation. „Bereits 1988 waren wir der erste ausländische Hersteller, der in China Premiumfahrzeuge lokal produzierte. Seither haben wir unser Portfolio kontinuierlich erweitert und stets versucht, die Stärken beider Länder zu verbinden“, so Stettner.
Mit dem Q6L e-tron setzt Audi nun ein deutliches Zeichen, dass der Konzern auch in Zukunft auf enge Partnerschaften in China setzt – insbesondere in einem Markt, der bei der Elektromobilität weltweit den Takt vorgibt.