2 Dezember 2025
Vom Pioniergeist der Ingenieure zur Sparsamkeit der Moderne: Ein BMW-Sittenbild

Vom Pioniergeist der Ingenieure zur Sparsamkeit der Moderne: Ein BMW-Sittenbild

Die Geschichte der Automobilindustrie ist reich an Episoden, in denen Leidenschaft und technischer Wagemut die Grenzen des Machbaren verschoben haben. Ein herausragendes Beispiel hierfür liefert Alpina Burkard Bovensiepen GmbH & Co. KG, kurz Alpina. Seit 1965 ist das Unternehmen im Geschäft, wobei der Fokus stets auf der Marke BMW lag. Doch Alpina war nie ein bloßer Veredler, der Spoiler an Serienfahrzeuge klebte. Bereits 1983 wurde die Firma als eigenständiger Automobilhersteller anerkannt. Anders als klassische Tuner entwickelt und fertigt Alpina seine Produkte in enger Abstimmung mit BMW. Durch die Produktion in limitierter Stückzahl besetzt das Unternehmen eine Nische, die es erlaubt, Fahrzeuge zu realisieren, die für einen Großserienhersteller finanziell oder praktisch kaum darstellbar wären. Ein Paradebeispiel dieser Philosophie ist der Alpina B8 4.6, ein V8-betriebener 3er, der dem werksseitigen V8-M3 von BMW um ganze 13 Jahre zuvorkam.

Das Unmögliche möglich machen

Wer sich an die 3er-Reihe der Generation E36 erinnert, denkt heute vielleicht an günstige Bastlerfahrzeuge, doch Mitte der 1990er Jahre repräsentierte dieses Modell die Premium-Kompaktklasse aus München. Mit der Z-Achse und einer optimalen Gewichtsverteilung setzte der Wagen Maßstäbe in Sachen Fahrdynamik. Das damalige Spitzenmodell, der 325i, leistete beachtliche 192 PS. Alpina jedoch sah mehr Potenzial und entwickelte zunächst den B6 2.8/2 mit 240 PS. Doch Burkard Bovensiepen, der Gründer und damalige Chef, hatte eine visionäre Idee: Er wollte den 4,0-Liter-V8 aus dem 5er BMW in die Karosserie des 3ers verpflanzen. Die Reaktion aus München war ernüchternd und lautete sinngemäß: Das geht sich nicht aus, wir haben es probiert. Bovensiepen ließ sich davon nicht beirren, tüftelte an einer Lösung und kehrte mit einem Konzept zurück, das nicht nur funktionierte, sondern sich sogar in die bestehende E36-Produktionslinie integrieren ließ. Das Ergebnis war der B8 4.6 mit 333 PS (329 hp) und einer Höchstgeschwindigkeit von über 280 km/h – ein Fahrzeug, von dem lediglich 221 Exemplare gebaut wurden und das den Geist echter Ingenieurskunst atmete.

Der G45 und die spürbare Ernüchterung

Springt man von dieser Ära der technischen Exzellenz in die Gegenwart, so bietet der neue BMW X3 der Generation G45 ein kontrastreiches Bild. Wer, wie der Autor dieser Zeilen, über Jahre hinweg von diversen X3-Generationen im familiären Umfeld umgeben war – vom 2014er Modell bis zum X3 M Competition –, der kennt die Stärken dieser Baureihe genau. Doch beim Betrachten und Fühlen der neuesten Generation drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, dass hier ein massiver Schritt rückwärts gemacht wurde. Es betrifft das Styling, die Materialien und die Verarbeitungsqualität. Zwar gibt es Verbesserungen bei der Motor- und Fahrwerksabstimmung, doch diese können kaum darüber hinwegtrösten, dass man sich nun das Knie an hartem Kunststoff an der oberen Türverkleidung stößt und das Panoramadach keinen Sonnenschutz mehr bietet.

Rotstift regiert im Innenraum

Es ist verständlich, dass die Automobilproduktion kostspielig ist und Kompromisse notwendig sind. Doch der Innenraum des neuen X3 wirkt stellenweise trostlos. Das getestete xDrive30-Modell präsentierte sich als eine Ansammlung von Kunstleder, Gummi und billig wirkendem Hartplastik. Auch wenn es wie ein Klischee klingen mag, dass früher mehr Wert auf Interieur-Qualität gelegt wurde, so bestätigt sich dieser Eindruck hier fatalerweise. Zwar versuchen Akzente in Satinsilber und eine umfangreiche Ambientebeleuchtung über die Tristesse hinwegzutäuschen, und auch der gläserne iDrive-Knopf ist ein nettes Detail, doch lenkt dies nicht vom Kernproblem ab. Für ein Fahrzeug, das sich preislich der 60.000-Dollar-Marke nähert, ist der Anteil an harten Oberflächen, insbesondere an der Mittelkonsole und den Türverkleidungen, schlichtweg zu hoch.

Fragwürdige Ergonomie und Designentscheidungen

Nicht nur die Materialanmutung, auch die Bedienung wirft Fragen auf. BMW hat die klassischen Türschlösser und die Tasten für die Sitzmemory durch kapazitive Berührungsflächen auf einem seltsam lockeren Panel nahe dem Türgriff ersetzt – eine Entscheidung, die ergonomisch kaum nachvollziehbar ist. Besonders schmerzlich ist der Verlust der Aluminium-Schaltwippen. An ihrer Stelle finden sich nun Kunststoffteile, die sich bei festem Druck tatsächlich verbiegen. Es ist bedauerlich, denn das Achtgang-Automatikgetriebe von ZF bereitet eigentlich Freude. Auch das Exterieur wirkt im Vergleich zum Vorgänger weniger wertig. Die bündig montierten Stoßfänger und das Design der Nierenfront wirken unstimmig, und die Lackierung in „Dune Grey“ erinnert bedauerlicherweise eher an die Farbe eines Hörgeräts als an Premium-Lack.

Lichtblick und Schattenseiten der Technik

Zumindest in puncto Technologie und Raumangebot gibt es Positives zu vermelden. Das 14,9-Zoll-Display mit iDrive 9 ist, sobald man die Lernkurve gemeistert hat, umfassend und gut bedienbar. Das digitale Kombiinstrument vor dem Lenker bietet zahlreiche Informationen, von der Navigation bis zur Musikwiedergabe. Doch auch hier zeigt sich die Starrheit der Münchner Produktplanung: Ein klassischer Drehzahlmesser lässt sich nur im Sportmodus anzeigen. Wer im normalen Modus fährt, muss auf diese elementare Information verzichten und stattdessen auf eine Effizienzanzeige blicken. Es scheint, als habe sich der Fokus bei BMW verschoben – weg von der Leidenschaft eines Bovensiepen, der V8-Motoren in kleine Limousinen zwängte, hin zu einer Kostenoptimierung, die selbst vor den Schaltwippen nicht Halt macht.