3 Dezember 2025
Schach-Update: Von Londoner Spitzenduellen, Online-Dominanz und neuen Paragrafen

Schach-Update: Von Londoner Spitzenduellen, Online-Dominanz und neuen Paragrafen

Spannung im Emirates Stadium: Ein Festival des Schachs

Das traditionsreiche London Chess Classic, welches mittlerweile auf eine fünfzehnjährige Geschichte zurückblicken kann, beweist heuer erneut, dass es weit mehr ist als ein gewöhnliches Schachturnier. Von Beginn an als umfassendes Schachfestival konzipiert, bietet es neben dem Hauptwettbewerb zahlreiche Nebenveranstaltungen für Enthusiasten aller Spielstärken und Altersgruppen. Besonders hervorzuheben ist der innovative Geist der Organisatoren, die bereits 2011 Pionierarbeit in Sachen Live-Streaming und Internetkommentierung leisteten. Während sich in der Elitegruppe führende englische Großmeister mit der internationalen Spitze messen, zieht vor allem das B-Turnier, ein qualitativ und quantitativ stark besetztes Open, die Blicke auf sich. Ausgetragen in der Heimstätte des FC Arsenal, dem Emirates Stadium, versammelt sich hier ein Feld von knapp 120 Spielern, darunter nicht weniger als 26 Großmeister und insgesamt fast 100 Titelträger.

Das Rennen der Junioren und Praggnanandhaas späte Anreise

Als klarer Favorit im Open gilt der weltbeste U20-Spieler, Praggnanandhaa Rameshbabu. Ursprünglich wäre der junge Inder wohl an der Spitze der Setzliste des Eliteturniers gestanden, doch der dichte Terminkalender des Weltcups machte eine frühzeitige Planung unmöglich. Hätte Praggnanandhaa das Finale in Goa erreicht, wäre ein Antreten in London ausgeschlossen gewesen. Sein etwas früheres Ausscheiden ermöglichte jedoch eine späte Registrierung für das Open, da das Elitefeld zu diesem Zeitpunkt bereits fixiert war.

Nach sieben Runden wird Praggnanandhaa seiner Favoritenrolle gerecht, wenngleich er sich die Führung teilen muss. Mit 5,5 Punkten liegt er gleichauf mit Velimir Ivic, Pranav Anand, David Gavrilescu, Daniel Fernandez und Ameet Ghasi. Trotz seiner Klasse stießen seine Gegner keineswegs auf Ehrfurcht, sondern leisteten in interessanten Partien erheblichen Widerstand. Dennoch demonstrierte der indische Superstar seine Fähigkeiten eindrucksvoll.

Carlsens Machtdemonstration beim Titled Tuesday

Während in London am Brett gekämpft wird, sorgte Magnus Carlsen am 2. Dezember online für Furore. Der Norweger sicherte sich seinen zweiten Sieg beim „Titled Tuesday“ innerhalb von vier Wochen und benötigte dafür 9,5 Punkte, was ihm den Turniersieg ohne die Notwendigkeit von Tiebreaks einbrachte. Carlsen überholte in der elften Runde GM Sina Movahed und fixierte den alleinigen Sieg, nachdem die Partie zwischen IM Renato Terry und GM Haik Martirosyan remis endete. Movahed verblieb auf dem zweiten Platz in einer Gruppe von sechs Spielern mit neun Punkten, zu der auch Hikaru Nakamura auf Rang drei zählte.

Besonders dramatisch gestaltete sich der Turnierverlauf. Bis zum Ende der sechsten Runde war GM Pranav Venkatesh der einzige Spieler mit einer weißen Weste im Feld von 399 Teilnehmern. Doch seine Serie riss in Runde sieben mit einem schnellen Remis gegen Nakamura. Nachdem Duda und Pranav in Runde acht als Führende aufeinandertrafen, kam es nach der Pause zum mit Spannung erwarteten Duell zwischen Nakamura und Carlsen. In einer psychologisch motivierten Entscheidung wählte Carlsen die extrem scharfe Variante des vergifteten Bauern, um Nakamura aus seiner Komfortzone zu locken – ein Plan, der aufging. Nakamura verlor im Endspiel die Kontrolle und konnte die Partie trotz ungleichfarbiger Läufer nicht halten. Dieser Sieg bringt Carlsen nicht nur Preisgeld, sondern auch wichtige Punkte für die Qualifikation zum Esports World Cup und die Chess.com Global Championship 2026.

Neuerungen im Regelwerk der US Chess Federation

Abseits des aktiven Spielgeschehens gibt es auch auf administrativer Ebene nennenswerte Entwicklungen, die für das kommende Jahr relevant werden. Die Delegierten der US Chess Federation haben für 2026 lediglich eine, dafür aber prägnante Regeländerung verabschiedet, die insbesondere das Blitzschach betrifft. Die Neufassung der Regel 18 eliminiert Unklarheiten: „Vorbehaltlich des Einspruchsrechts bei US Chess ist die Entscheidung des Hauptschiedsrichters endgültig.“ Dies ersetzt die alte Formulierung und macht den bisherigen Zusatzhinweis überflüssig, womit klargestellt wird, dass Entscheidungen von „Floor TDs“ sehr wohl beim Hauptschiedsrichter angefochten werden können, ein spezielles Schiedsgericht bei Blitzturnieren jedoch eine unnötige Verzögerung darstellen würde.

Zudem gab es organisatorische Anpassungen: Das „Tournament Director Certification Committee“ (TDCC) firmiert nun unter dem neuen Namen „Tournament Director Arbiter Committee“ (TDAC). Diese Umbenennung geht mit erweiterten Aufgabenbereichen einher, insbesondere bezüglich der Zertifizierung von Nationalen Schiedsrichtern (NA) der FIDE. Die Anforderungen für diese Zertifizierung, die über den US-Verband an den Weltschachbund weitergeleitet wird, sollen im Jänner veröffentlicht werden. Neben diesen größeren Änderungen wurden diverse redaktionelle Bereinigungen im Regelwerk vorgenommen, etwa aktualisierte Links zu Rating-Umrechnungen und Verweise auf klassische Schachregeln in den Blitz-Sektionen, um das Regelwerk für das Jahr 2026 auf den neuesten Stand zu bringen.