12 November 2025
Chinas EV-Gigant BYD: Markterfolg ohne Strahlkraft?

Chinas EV-Gigant BYD: Markterfolg ohne Strahlkraft?

Früher, da war ein Auto mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Es war ein Aushängeschild, beinahe ein flüssiger Ausdruck des Nationalcharakters. Ein Auto verlieh seinem Herkunftsland mehr „Soft Power“ als fast jedes andere Konsumprodukt. Wer im frühen 20. Jahrhundert Autos in Serie bauen konnte, wie Henry Ford in Amerika, signalisierte damit industrielle Macht und Modernität. Der Ford Model T war nicht bloß ein Auto; er war das Symbol für Amerikas Aufstieg zur Wirtschaftssupermacht.

Später verlagerte sich diese „Soft Power“ von der reinen Produktionskapazität hin zur Fähigkeit, außergewöhnliche Fahrzeuge zu bauen. Deutsche Hersteller machten den Maschinenbau zu einer nationalen Ausdrucksform: Mercedes-Benz stand für Präzision, BMW für die schiere Fahrfreude. Selbst „Vorsprung durch Technik“ von Audi funktionierte nur, weil es an etablierte Wahrnehmungen anknüpfte. Italien wiederum steuerte mit Ferrari und Lamborghini automobile Kunst bei.

Der neue Champion betritt die Bühne

Nach diesem historischen Muster müsste China eigentlich enorm von BYDs derzeitigem Erfolg profitieren. Anfang dieses Jahres hat der Konzern Tesla überholt und ist nun der weltgrößte Hersteller von Elektrofahrzeugen. Die Wagen finden sich mittlerweile von Bangkok bis São Paulo. Doch der Erfolg beschränkt sich nicht auf den globalen Süden: Im September etwa verkaufte BYD im Vereinigten Königreich 11.271 Fahrzeuge, ein Zuwachs von unglaublichen 880% im Vergleich zum Vorjahr, was die Insel zu seinem größten Markt außerhalb Chinas macht. Während BYD in Europa stark zulegt und die Lücke zu Tesla schließt, sind dies die Zahlen eines echten Giganten.

Dominanz am chinesischen Heimmarkt

Besonders deutlich wird die Vormachtstellung daheim in China. Laut aktuellen Daten der China Passenger Car Association (CPCA) blieb BYD im Oktober der größte Hersteller von New Energy Vehicles (NEVs). Obwohl die Verkäufe im Monats- und Jahresvergleich leicht nachgaben, lag der Absatz bei 295.871 Einheiten.

Gleichzeitig fiel Tesla, ein jahrelanger Favorit auf dem chinesischen Markt, erstmals seit drei Jahren aus den Top 10 der Einzelhandelsverkäufe. Teslas Verkäufe in China erreichten mit 26.006 Einheiten den niedrigsten Stand seit November 2022.

Im Gegensatz dazu konnte Geely Auto seinen zweiten Platz mit 164.256 verkauften NEVs (ein Plus von 54,7% im Jahresvergleich) festigen und seinen Marktanteil ausbauen. Auch Newcomer wie Xiaomi EV mischen kräftig mit und sicherten sich im Oktober mit 48.654 Einheiten bereits den achten Platz.

Betrachtet man den Zeitraum von Jänner bis Oktober, führt BYD den chinesischen NEV-Markt mit einem dominanten Marktanteil von 28,0 Prozent (2,84 Millionen Fahrzeuge) an, gefolgt von Geely mit 12,4 Prozent. Tesla rangiert in dieser Periode auf dem fünften Platz.

Warum der Funke (noch) nicht überspringt

Trotz dieser kommerziellen Wucht will sich die kulturelle Strahlkraft, jene „Soft Power“, für China noch nicht einstellen. BYDs Fahrzeuge mögen zwar omnipräsent sein, ihnen fehlt aber das kulturelle Prestige, das Tesla – trotz Elon Musks Eskapaden – lange innehatte. Der Eindruck bleibt: Man kauft einen BYD wegen des hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnisses, nicht weil die Marke als aufstrebend oder „cool“ gilt.

Die Skepsis, ob BYD jemals den Status von Ford, Mercedes oder Toyota erreichen kann, ist aus mehreren Gründen angebracht. Zunächst ist die Fähigkeit, Autos zu bauen, heute keine Seltenheit mehr. Im Zeitalter von Henry Ford war dies ein Elitestatus; heute produzieren Dutzende Länder Fahrzeuge, von der Türkei bis Marokko.

Auch die Elektrifizierung ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr. E-Autos sind vom Novum zur Normalität geworden. Zwar hat BYD mit seiner „Blade“-Batterietechnologie echte Innovation gezeigt, doch Batterietechnologie, so ausgeklügelt sie sein mag, beflügelt die Fantasie nicht so sehr wie ein visionäres Design oder ein einzigartiges Fahrerlebnis.

Der fehlende Härtetest und der Konkurrenzkampf

Ein zentrales Problem für die globale Wahrnehmung bleibt: BYD ist durch Trumps 100-Prozent-Zölle praktisch vom US-Markt ausgesperrt. Das ist weit mehr als nur ein entgangener Absatz. Amerika war historisch der Schmelztiegel, der Härtetest für Automarken. Japanische und koreanische Hersteller mussten sich dort im direkten Wettbewerb beweisen. Erfolg in den USA signalisiert global, dass eine Marke es „geschafft“ hat. Dieser Test fehlt BYD.

Währenddessen schläft die Konkurrenz nicht, schon gar nicht auf BYDs Heimatmarkt. Tesla, obwohl in den Verkaufsrankings zurückgefallen, kehrt auf die große Importmesse in Shanghai zurück. Es wird erwartet, dass der US-Konzern dort sein Robotaxi-Debüt in China gibt, um technologisch zu punkten.

Auch die deutschen Konzerne, die teils mit Unsicherheiten bei der Chip-Versorgung aus Asien kämpfen, intensivieren ihre Bemühungen. Volkswagen etwa plant, eigene hochentwickelte Halbleiter direkt in China zu entwickeln, um bei lokal produzierten, teilautonomen Fahrzeugen aufzuholen. Und auch andere chinesische Anbieter wie Xpeng drängen massiv in den Zukunftsmarkt: Xpeng kündigte an, 2026 mithilfe des Kartendienstes Amap von Alibaba eigene Robotaxi-Dienste zu starten.